Leitsätze

1. Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21. März 2012, XII ZB 447/10, FamRZ 2012, 863).

2. Zur Fristberechnung bei sogenannten rückwärts laufenden Wochenfristen.

BGH-Beschluss v. 05.06.2013 – XII ZB 427/11

Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 25. Juli 2011, Az: 2 UF 157/11
vorgehend AG Erfurt, 18. Februar 2011, Az: 36 F 916/10, Beschluss

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 25. Juli 2011 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Erfurt vom 18. Februar 2011 zu Nr. I und II des Entscheidungsausspruchs aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

A.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) hat die Scheidung ihrer 2005 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) beantragt.

Mit Verfügung vom 20. Dezember 2010 hat das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20. Januar 2011 bestimmt. Die Ladung ist der Ehefrau am 31. Dezember 2010 zugegangen. In der mündlichen Verhandlung hat der Rechtsanwalt der Ehefrau einen (Stufen-)Antrag auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich überreicht, der vom Rechtsanwalt des Ehemanns als zugestellt entgegengenommen worden ist. Das Amtsgericht hat mit seinem am 18. Februar 2011 verkündeten Beschluss den Stufenantrag auf Zugewinnausgleich als unzulässig zurückgewiesen, die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Die Ehefrau hat gegen den Beschluss – mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs – Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, mit welcher sie die Aufhebung der Entscheidung zum Zugewinnausgleich und des Scheidungsbeschlusses sowie die Zurückverweisung an das Amtsgericht erstrebt.

B.
Die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

I.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist ein entgegen § 137 Abs. 2 FamFG verspätet eingereichter Antrag in einer Folgesache als unzulässig zurückzuweisen. Ob das Amtsgericht durch die Zurückweisung des Antrags die Folgesache Zugewinn lediglich nach § 140 FamFG abgetrennt oder darauf hingewiesen habe, dass der Antrag als selbständiges Verfahren geführt werde, sei nicht eindeutig. Die Frage könne aber im Ergebnis dahinstehen, da nach § 140 Abs. 6 FamFG ein Rechtsmittel gegen eine Abtrennung nicht stattfinde und nur im Rahmen eines Rechtsmittels gegen den Scheidungsbeschluss zu prüfen sei, ob die Abtrennung zu Recht erfolgt sei.

Es fehle an einer nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG rechtzeitig anhängig gemachten Folgesache. Der zwischen der Zustellung der Terminsladung und dem Termin liegende Zeitraum habe dreiundzwanzig Tage (29. Dezember 2010 bis 20. Januar 2011) betragen, mithin mehr als zwei Wochen. Die Ehefrau habe also die Zweiwochenfrist einhalten können.

Wie das Familiengericht auf eine verspätet anhängig gemachte Folgesache zu reagieren habe, sei umstritten. In verfassungskonformer Auslegung des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG seien verspätete Folgesachenanträge als unzulässig zurückzuweisen. Der Ehefrau entstehe durch die selbständige Weiterführung des Zugewinnverfahrens kein Nachteil, ein solcher werde auch von ihr nicht geltend gemacht.

II.
Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der in der güterrechtlichen Folgesache eingereichte Stufenantrag durfte weder abgetrennt noch zurückgewiesen werden. Denn er ist nach den Maßstäben der – nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen – Rechtsprechung des Senats rechtzeitig eingereicht worden.

Danach hat das Familiengericht den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen (Senatsbeschluss vom 21. März 2012 – XII ZB 447/10 – FamRZ 2012, 863 Rn. 24).

Dem entspricht das Verfahren vor dem Amtsgericht nicht. Die Zweiwochenfrist gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG nach den Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung, mithin gemäß § 222 ZPO iVm § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen. Diese Regelungen sind auf rückwärts zu rechnende Fristen entsprechend anzuwenden (Staudinger/Repgen BGB [2009] § 187 Rn. 7). Der Termin zur mündlichen Verhandlung führt zu einem rückwärtsgerichteten Beginn der Frist gemäß § 187 Abs. 1 BGB und endet daher um 0.00 Uhr des seiner Benennung entsprechenden Wochentages. Vom Terminstag (Donnerstag, 20. Januar 2011) zurück gerechnet, hätte der Schriftsatz in der Folgesache Güterrecht somit zur Wahrung der Frist vor dem 6. Januar 2011 (0.00 Uhr), mithin noch am Mittwoch, dem 5. Januar 2011 beim Familiengericht eingehen müssen (vgl. Krause NJW 1999, 1448, 1449; Staudinger/Repgen BGB [2009] § 187 Rn. 7; OLG Braunschweig FamRZ 2012, 892, 893; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 892).

Die den beteiligten Ehegatten zum Zweck der Vorbereitung zusätzlich einzuräumende Frist von einer Woche entspricht der Ladungsfrist gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 217 ZPO (Senatsbeschluss vom 21. März 2012 – XII ZB 447/10 – FamRZ 2012, 863 Rn. 23 f.). Sie ist auch entsprechend zu berechnen. Nach § 217 ZPO muss eine Frist von einer Woche zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstag liegen. Dabei wird der Tag des die Frist auslösenden Ereignisses (§§ 222 ZPO, 187 Abs. 1 BGB) ebenso wie der Terminstag selbst nicht eingerechnet (MünchKommZPO/Gehrlein 4. Aufl. § 217 Rn. 5; Musielak/Stadler ZPO 10. Aufl. § 217 Rn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 34. Aufl. § 217 Rn. 3).

Demnach hätte im vorliegenden Fall die Ladung zum Termin den nach der Senatsrechtsprechung zu stellenden Anforderungen nur dann entsprochen, wenn sie der Ehefrau spätestens am 29. Dezember 2010 zugestellt worden wäre. Das ist indessen nicht der Fall. Das im angefochtenen Beschluss genannte Zustellungsdatum vom 29. Dezember 2010 betrifft allein die Zustellung an den Ehemann. Der Ehefrau ist die Ladung hingegen nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses erst am 31. Dezember 2010 zugestellt worden. Da die Einhaltung der Frist für jeden Beteiligten gesondert zu beurteilen ist, kommt es im vorliegenden Fall allein auf die Zustellung der Terminsladung an die Ehefrau an. Diese wahrt die den Beteiligten zur Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG zu gewährende Vorbereitung nicht.

2. Rechtsfolge eines Verstoßes ist nach der genannten Rechtsprechung des Senats ein Anspruch auf Terminsverlegung. Einer Terminsverlegung bedarf es allerdings nicht, wenn die Ehegatten die Folgesachen noch in dem Termin anhängig machen. Die Folgesachen werden dann Bestandteil des Scheidungsverbunds (Senatsbeschluss vom 21. März 2012 – XII ZB 447/10 – FamRZ 2012, 863 Rn. 25).

Das Oberlandesgericht hat offengelassen, ob das Amtsgericht über die Folgesache Güterrecht bereits abschließend entschieden hat oder ob die Zurückweisung des Antrags lediglich die Wirkung einer Abtrennung aus dem Scheidungsverbund haben sollte. Darauf kommt es in beiden Rechtsmittelzügen nicht an, weil der Scheidungsausspruch in beiden Fällen gleichermaßen verfahrensfehlerhaft ist. Wenn es sich nämlich der Sache nach um eine Abtrennung handeln sollte, wäre diese nicht zulässig gewesen, dann hätte das Amtsgericht einen unzulässigen Teilbeschluss über die Scheidung (und den Versorgungsausgleich) erlassen (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 2008 – XII ZR 172/06 – FamRZ 2008, 2268 Rn. 20 mwN; Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 140 Rn. 21). Wenn das Amtsgericht den Antrag hingegen in der Folgesache abschließend zurückgewiesen hätte, wäre dies ebenfalls verfahrensfehlerhaft, weil die Anträge zum Zugewinnausgleich nach § 137 FamFG in zulässiger Weise anhängig gemacht worden und somit als Folgesache zu behandeln sind, über die im Rahmen der Verbundentscheidung in der Sache hätte entschieden werden müssen. Eine solche Entscheidung kommt in der Sache einem unzulässigen Teilbeschluss über die Scheidung gleich.

3. Der angefochtene Beschluss ist demnach gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Auf die Beschwerde der Ehefrau ist der Beschluss des Amtsgerichts entsprechend dem Antrag der Rechtsbeschwerde mit seinen Aussprüchen zur Folgesache Güterrecht (I) und zur Scheidung (II) aufzuheben (§§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO). Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist nicht angefochten worden (vgl. §§ 142 Abs. 2 Satz 1, 148 FamFG). Das Verfahren ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das die Folgesache Güterrecht im Scheidungsverbund fortzuführen hat.

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